a touch of heaven...

Veröffentlicht am 1. November 2024 um 21:46

Eine meiner schönsten Erinnerungen an meinen Vater (aus meinem Erwachsenenalter) reicht mehr als zehn Jahre zurück. Ich hatte für uns zwei Karten für Verdis Requiem im großen Musikvereinssaal in Wien mit den Wiener Philharmonikern unter Nikolaus Harnoncourt organisiert. Dad war absoluter Musikliebhaber, Dirigent, Posaunist, Musiklehrer und Klassik-Fan - war also ein genialer Vater-Sohn-Ausflug. Nur eines war Dad, so wie ich (oder ich wie er), nicht - nah am Wasser gebaut, wie man sagt.  Doch dann saßen wir nebeneinander im Musikverein - und als das "dies irae" auf uns eindrang, fühlte ich, wie vor lauter Schönheit und Wucht es mir die Kehle zuschnürte und meine Augen glasig wurden. Ein kurzer Blick zu meinem Vater - und ich sah die komplett idente Reaktion. Die unglaubliche Musik in der überirdischen Interpretation machte jede Form von Gefasstheit oder Coolness zunichte. Die Musik fuhr ins Innerste, sie erfüllte, sie enthüllte. I sensed a touch of heaven I suppose.

Schnitt: Ich schreibe diese Zeilen als Nachwirkung eines Konzertes, dass ich vor wenigen Stunden besucht habe. Wieder ein Requiem - dieses Mal das Opus 45 von Johannes Brahms, dargeboten vom Kammerchor Klagenfurt-Wörthersee in der Seminarkirche in Tanzenberg. Unterschiedlicher zu Verdi könnte Brahms gar nicht sein - der Italiener vertont die katholische Totenmesse unter dem Motto "Klotzen, nicht kleckern" mit theatralischer Wucht- sein Requiem ist ein verzweifeltes Bitten um die Erlösung des/r Verstorbenen. Brahms schreibt sein Requiem für die Hinterbliebenen- nicht der katholische Messritus bildet den Ablauf, nein, es sind sieben Teile mit Versen der Lutherübersetzung.

Und so sitze ich und höre mit Genuss und absoluter Freude die ersten Abteilungen des Werkes, schwer beeindruckt vom Chor (und Orchester) und unglaublich beeindruckt von der Solo-Sopranistin Julia Banyai. Und dann kommt die sechste Abteilung und der "Hinweis von Brahms bzw Luther", dass die Posaune schallen wird. Und plötzlich geschieht dasselbe wie bei Verdi in Wien so viele Jahre zuvor:  Die Musik fuhr ins Innerste, sie erfüllte, sie enthüllte. I sensed a touch of heaven I suppose. Und irgendwie glaube ich, dass Dad auch heute wieder zugehört und gleich empfunden hat. Er halt von oben.

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