Die Geschehnisse am Peršmanhof, 80 Jahre nach dem dort verübten Massaker der SS an zwei slowenischsprachigen Kärntner Familien, verursachen derzeit ein breites (politisches) Beben in Kärnten. Die Nacherzählung der Ereignisse soll hier von mir nicht wiederholt werden. Mich beschäftigt am ganzen Polizeieinsatz derzeit vor allem eine Frage- gegen wen sollte er sich richten. Derzeit tauchen zwei Interpretationen von Seiten von Kritiker:innen auf: die erste geht in Richtung Provokation gegenüber der slowenischsprachigen MInderheit in Kärnten. Die zweite, wie Jürgen Platzer im heutigen Falter-Newsletter schreibt, geht in Richtung der (vorwiegend jugendlichen) Teilnehmer:innen. Platzer zitiert indirekt den Kärntner Rechtsanwalt Rudolf Vouk: "Für ihn sind die Vorwürfe ein "Konstrukt". Der Einsatz sei "von langer Hand" geplant gewesen. Vouks Vermutung: Die Polizei wollte nur wissen, wer beim Antifa-Camp teilnimmt".

Zeichnung Persmanhof: Quelle:
https://www.persman.at/de/der-persmanhof-2
Beide Stoßrichtungen der vermuteten Motive für den aufgeblähten Polizeieinsatz (Einsatz von Drohnen, einem Hubschrauber, 30 zT schwer bewaffneter Einsatzkräfte, Polizeihunde) bereiten mir große Sorge. Würde Motiv eins stimmen - würde das bedeuten, dass es wieder zu einem Aufflammen der Animositäten, ja gar der Konflikte zwischen den beiden Volksgruppen kommt, die Kärnten so einzigartig machen und so besonders? Was für eine furchtbare Vorstellung, was für ein Irrsinn, was für eine Narretei!
Würde die Vermutung von Anwalt Vouk stimmen, dass es ein "von langer Hand geplanter" Einsatz gegen die Mitglieder des Antifa-Camps war, sprich gegen die Antifa (was immer das auch ist), finde ich das auch äußerst bedenklich; denn es würde zeigen, dass "Antifa" automatisch von den Exekutivbehörden - Entschuldigung, von Teilen der österreichischen Exekutive und/oder Legislative mit Weisungsrecht - mit Extremismus (und politischem Terrorismu?) gleichgsetzt werden würde. Dabei müsste ja eine antifaschistische Haltung die Grundhaltung zB jedes Christen/jeder Christin sein. Sind wir dann alle verdächtig?
Ich bin nicht naiv und ich weiß schon, dass mit dem Begriff Antifa unglaublich viel Leid über verschiedene Menschen in verschiedenen Ländern gekommen ist. Jeder "realsozialistische" Staat hat die Antifa zur Staatsdoktrin erhoben und kein Problem damit gehabt, seine Bürger:innen diktatorisch zu unterdrücken. Jede linke Terrorzelle Europas in den 70er hat sich den antifaschistischen Kampf auf die blutbefleckte Fahne ihres Terrors geheftet - und ja, natürlich gibt es in der "Antifa-Szene" auch heute gewaltbereite Personen, die sich die Ideologie als Handschuh überziehen, um den Schlagring ihres Aggressionspotentials zu kaschieren.
Aber mir geht es um eine antifaschistische Grundhaltung, die uns zu eigen sein müsste. Denn was zeichnet faschistische Systeme und Strukturen aus. Als Antwort zitiere ich den britischen Historiker Ian Kershaw, der in seinem atemberaubenden Buch "Höllensturz" über die Anziehungskraft des Faschismus und der extremen Rechten in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in Europa schreibt: "Einiges hatten die Ideologien der extremen Rechten aber doch gemeinsam, gleichgültig ob sich eine Bewegung "faschistisch" nannte oder nicht: die hypernationalistische Betonung der Einheit eines Volkes, das seine Identität durch die "Säuberung" von denjenigen gewann, die als nicht zugehörig betrachtet wurden - Ausländer, ethnische Minderheiten, "Unerwünschte"; rassische Exklusivität (...) , die durch das Beharren auf den "besonderen", "einzigartigen" und "überlegenen" Eigenschaften des Volkes zum Ausdruck gebracht wurde; den extremen, so radikalen wie gewaltsamen Einsatz für die vollständige Vernichtung politischer Gegner- besonders der Marxisten, aber auch von Liberalen, Demokraten und "Reaktionären"; die Betonung von Disziplin, "Männlichkeit" und Militarismus (der gewöhnlich auch in paramilitärischen Organisationen Niederschlag fand), schlie0lich den Glauben an autoritäre Führung" (Kershaw, Höllensturz, 320f).
So - und jetzt denken wir an Ungarn- oder besser, denken wir daran, dass am Samstag vor dem Polizeieinsatz in Eisenkappel in Wien rechte Demonstrant:innen der Identitären von einem Großaufgebaut der Polizei vor den - Gott sei Dank- unzähligen Gegendemonstrant:innen "beschützt" werden mussten, während sie ihre Slogans wie Remigration und andere Grauslichkeiten und - ja faschistischen Müll - rausbrüllten (wurde bei den rechten Demonstrant:innen eigentlich von Seiten der Polizei auch versucht, die Identität ALLER festzustellen wie am Peršmanhof? Man wird ja wohl noch fragen dürfen). Diese besorgniserregenden Entwicklungen ernst nehmend kann man gar nicht anders als antifaschistisch sein - oder, wie ich unlängst in einem Insta-Posting gelesen haben: "Wenn man heutzutage nur versucht, kein Arschloch zu sein, wird man als "Links" oder "Gutmensch" beschimpft". In diesem Sinne muss ich sagen - natürlich bin ich Antifa - mein Taufschein zwingt mich dazu. Ob ich jetzt auch Besuch von der Polizei bekommen werde?
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