Als Prometheus den Göttern das Feuer gestohlen hatte und es den Menschen brachte, schenkte er ihnen Selbstverantwortung, Selbstermächtigung, Freiheit? Der Zorn der Olympier war unerbittlich- Prometheus wurde an einen Felsen im Kaukasus geschmiedet und ein Adler tat sich an seiner (nachwachsenden) Leber täglich gütlich. Den Menschen wiederum wurde die schöne Pandora geschickt (von Hephaistos aus Lehm gemacht), mit einer Büchse bewehrt - und als die Menschen diese öffneten, entsprangen der Büchse Leid, Krankheit, Krieg und Tod- alle Übel dieser Welt. Nur ganz am Boden der Büchse, da lag die Hoffnung und blieb in der Büchse zurück...
Papst Francesco hat das nun begonnene "heilige Jahr" (seit dem Mittelalter ist der römische Tourismusverband anscheinend sehr erfinderisch, wenn es darum geht, noch mehr Tourist:innen - oh, Entschuldigung: Pilger:innen - in die ewige Stadt zu locken) unter das Motto "Pilger der Hoffnung" (kein Gendern hinter den leoninischen Mauern) gestellt. Und der von mir (neben dem Papst- aber aus anderen Gründen) ebenfalls hochgeschätzte Philipp Blom hat sein jüngstes, 2024 erschienenes Buch, "Hoffnung" genannt - und in diesem philosophiert er, ob in der Welt, wie sie ist, Hoffnung überhaupt möglich ist und was Hoffnung eigentlich ist und warum der Mensch hofft. Bloms Befund kurz zusammengefasst: der Mensch als (einziges?) Wesen, dass sich seiner individuellen Sterblichkeit bewusst ist, braucht so etwas wie Hoffnung, um einen Sinn in seiner Existenz zu finden, individuell und im Blick auf die Gemeinschaften. Und diese Hoffnung manifestiert sich in den großen "Geschichten der Menschen", der Religion(en), der Nationalitäten, der Ideologien usw. Das muss und ist oft alles andere als positiv- denken wir daran, wie viele Menschen durch die Geschichte der Spezies aufgrund dieser metaphysischen, großtranszendenten "Hoffnungsgeschichten" Religion, Ideologie, Politik, Gesellschaftssysteme ums Leben gekommen sind.

Soweit, so ungenau - einfach Blom lesen, um zu wissen, wie es ausgeht- ihn zu lesen ist, wie immer, ein Genuss. Warum klopfe ich aber jetzt wieder einmal in die Tasten? Weil mich ein Aspekt bei Blom - und indirekt bei Papst Francesco- in Bezug auf die Hoffnung im Inneren anspricht. Vor einigen (vielen) Blogeinträgen habe ich von mir selbst behauptet, ein pessimistischer Optimist zu sein - und das scheinen mir die beiden Herren ebenfalls. Denn irgendwie klingt das Wort Hoffnung schon fast zynisch, wenn es sozusagen (in Form eines Jahres) über die Welt gelegt wird: die Kriege, die Klimakatastrophe, das Auseinanderdriften der (westlichen?) Gesellschaften, der Aufstieg der extremen (rechten) Parteien, der Konsumwahnsinn auf Kosten anderer usw. Und dennoch halten beiden ein Playdoyer für die Hoffnung.
Blom schreibt unter anderem von Franz Schubert - und dass dieser, zeit seines Lebens unterschätzt, dauernd verarmt, isoliert, mit Syphillis infiziert, meist schwer alkoholisiert und an Typhus erkrankt, trotz seiner hoffnungslos miserablen Lebensumstände doch so hoffnungsvolle Musik der Welt hinterlassen hat, also selbst ein - against all odds- Hoffender war. Nun sitze ich da, tippe und höre mir gleichzeitig Schuberts 5. Symphonie an (Wiener Philharmoniker, Abbado) - und es kommt so etwas wie Verstehen auf.
Anscheinend ist es so: Aufgeben tut man einen Brief, aber nicht die Hoffnung, weil man sonst sein Menschsein aufgibt . Es ist Teil des Menschseins - trotz aller Übel, allem Leid, aller Sinn-Losigkeit - den Sinn zu suchen, die Hoffnung; kurz - Pandoras Büchse wieder zu öffnen (das Schlechte ist eh schon alles heraußen) und ganz auf den Boden zu schauen und versuchen, sie herauszuholen- die Hoffnung.
In diesem Sinne wünsche ich euch, liebe Leser:innen ein hoffnungsvolles, neues (heiliges) Jahr 2025 und danke euch fürs virtuelle Vorbeischauen in meinem Kopf.
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Der Papst muss von Hoffnung reden,Blom muss nicht und Fritz lässt sich nicht einreden, was in der Büchse zu sein hat.
Daher hoffe ich