On the road again - leider und doch hoffnungsvoll

Veröffentlicht am 27. Jänner 2025 um 12:06

1980 hat der amerikanische Country-Star Willie Nelson mit "On the road again" Platz 1 in den US-Billboard-Charts erreicht. Die Coverversion seines Songs durch "canned heat" wurde ein weltweiter Erfolg. Es geht im folgenden Blogeintrag aber nicht im Musik - leider - sondern um meine Wiederauferstehung als Demonstrant...

Gleich vorweg - ich bin absolut nicht der Typ, der gerne auf die Straße geht, um seinen Protest gegen irgendetwas laut loszuwerden. Ich bin kein "Berufsdemonstrant", kein "Antifa"-Aktivist oder was auch immer sonst so als Zuschreibungen im Netz oder anderswo kursiert. Ganz im Gegenteil, ich bin eigentlich ein "klassischer, österreichischer Couch-Politisierer", Herr Biedermann lässt grüßen. 

Meine Demonstrationserfahrungen beschränken sich deshalb auch auf ein paar Demos in den 90ern (damals als Student) gegen die Studiengebühren und die "Gehrer-Reform der Unis", auf ein paar Fridays-for-Future-Märsche durch Klagenfurt, auf den stummen Protestmarsch gegen das Ende des Karfreitags als Feiertag für die evangelischen Christ:innen und auf ein paar Donnerstagsdemos damals 2018/2019 gegen "Schwarz-blau". 2020 dachte ich naives Kerlchen, dass meine parteipolitisch motivierten "street-walking-years" dank fröhlicher Ibiza-Abende mit angeblichen Oligarchinnen, toxisch - machomässigem Aufplustern und hochprozentigen  (und anderen?) Stimulanzmitteln der Vergangenheit angehören würden. Weit gefehlt, ich bin wieder on the road again - leider.

Samstag war es wieder soweit. In Graz, meiner alten urbanen Liebe, war wieder der "Akademikerball" im Ballkalender eingetragen (natürlich wird hier nicht gegendert), veranstaltet, so lese ich auf der offiziellen Homepage " mit viel Engagement von den jungen Mitgliedern der Grazer Studentenverbindungen". Und was zeichnet u.a diesen Ball besonders aus? Die offizielle Homepage dazu: "Eine auf das korporationsstudentische Brauchtum ausgerichtete Polonaise in den Farben der steirischen national-freiheitlichen Hochschulverbindungen (...)". Übersetzt: Der Ball ist ein Treffpunkt der Burschenschaften (auch und v.a. der "schlagenden" Verbindungen) und seit Jahren ein Treffpunkt von Menschen, die sich dadurch auszeichnen, die Zeit von 1938 bis 1945 in Österreich anders zu deuten als der Rest, um es einmal höflich auszudrücken.

Aus diesem Grund fanden in den vergangenen Jahren immer wieder Demonstrationen gegen den Akademikerball in Graz statt. Auch in diesem Jahr- dieses Mal allerdings erweitert durch den Aufruf, gegen eine mögliche Regierungsbildung von Blau und Schwarz und die mit dieser zu befürchtenden einhergehenden "Einschränkungen" und "interessanten Umgestaltung" des gesellschaftlichen Lebens in Österreich.

Und so kam der Samstag ins Land und ich saß in der Früh auf meinem Gravel-bike und machte eine Morgentour und dachte nichts Böses und pfiff wie Hans im Glück fröhlich vor mich hin und begrüßte Rehlein und Häschen auf meiner Tour durch den lieblichen Wald und war ein Mensch gewordener Wonnebrocken reiner Unschuld (also eh wie immer). Doch plötzlich schoss mir ein Gedanke in meinen strahlenden Wonnebrocken-Kopf: "Jammern über den Rechtsruck ist halt auch zu wenig. Wichtig aufregen, aber den Hintern nicht von der Couch bringen hilft halt auch nichts. Zeichen setzt man nicht mental, sondern indem man sie sichtbar setzt". Und vorbei war es mit meiner seligen Ruhe und meiner Biedermann-Bequemlichkeit. 

Deshalb: kurz entschlossen den ÖBB-Bus nach Graz gebucht, die traditionelle Demo-Kleidung (man(n) trägt schwarz) aus dem Schrank geholt und wieder einmal "on the road again"- leider.

Kommen wir zum Resumee dieses bereits sehr lange gewordenen Blogs. Graz, 25.01.2025 war für mich ein Zeichen der Hoffnung. Die offiziell 1500 Menschen (die Veranstalter schätzten rd 2000), die sich um 17.00 Uhr vom Mariahilferplatz über den Joanneumring und die Herrengasse auf den Weg gemacht haben, waren Menschen wie ich - keine "Berufsdemonstrant:innen", kein "schwarzer Block", keine "Antifa-Angestellten". Wir waren eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Menschen, von (ganz) jung bis alt ("Omas gegen rechts"), die ohne zu provozieren oder zu randalieren an der hochgerüsteten Hundertschaft an Polizist:innen vorbei spaziert ist um ihre Sorgen um die Demokratie ihren Ausdruck zu verleihen. Absolutes Highlight war ein sehr distinguiert wirkender Grazer (?), einige Jahre älter als ich, der mit seiner Frau und seinem Hund mitspaziert ist und ein Schild hochgehalten hat, auf dem zu lesen stand: "Mein Hund ist schlau und stellt sich dumm, bei Nazis ist es andersrum". Als wir beim Andreas-Hofer-Platz an einer schwer ausgerüsteten vermummten Polizeieinheit vorbeikamen, startete dieser Ehrenmann zu den Beamten und fragte sie, was ihnen einfiele, hier vermummt zu stehen, weil ja während der gesamten Demo Vermummungsverbot geherrscht hat. Wörtlich: "Was ist da los, meine Herren - ich darf sie darauf hinweisen, dass hier Vermummungsverbot gilt". Die fragend-ratlosen Blicke der Angesprochenen waren großartig.

Ich komme (endlich) zum Schluss: Die Demo hat weder den Ball verhindert noch wird sie Blau-Schwarz verhindern. Aber sie hat eines bewirkt (zumindest bei mir): sie hat (mir) gezeigt, dass Menschen bereit sind, für Demokratie, für Menschenrechte und gegen bedenkliche Entwicklungen auf die Straße zu gehen- aus welchen politischen oder gesellschaftlichen Gründen auch immer. Es braucht nicht viel, um Zeichen zu setzen- nur den Willen, den Hintern zu erheben und vom Reden ins Tun zu kommen. Es ist Zeit, "on the road again" zu sein - als Zeichen des Protestes, aber durchaus auch hoffnungsvoll.

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